Wenn Wandel zum Konzept gehört
David Schulke und Miriam Penkhues sind sich in den vergangenen Jahren schon an vielen Stellen im Bistum begegnet. Im Jugendbereich. Als „Nachbarn“ im Bischöflichen Ordinariat in Limburg. Und seit gut eineinhalb Jahren in der Villa Gründergeist, dem einzigen katholischen Co-Working-Space Frankfurts, in dem sie gemeinsam arbeiten. Nun steht für beide abermals ein Rollenwechsel an, denn aus Schulke, aktuell noch bis Ende Januar Leiter der Villa, wird ein Vorgänger – und aus Miriam Penkhues, derzeit Referentin für kirchliche Innovation und Digitalität, seine Nachfolgerin.
Penkhues freut sich auf die neue Aufgabe, hat aber auch Respekt, weil das ganze Bistum aktuell mit dem sogenannten Transformationsprozess im Umbruch ist, der erst 2024 abgeschlossen sein soll. Was das für Vorzeigeprojekte wie die Villa Gründergeist und alle anderen Einrichtungen bedeutet, ist momentan noch unklar. „Für uns wird zum Beispiel die Frage sehr interessant, an welcher Stelle Innovation strukturell ihren Platz finden wird und wie wir die Erfahrungen aus der Villa-Reise bisher bestmöglich für das Bistum nutzbar machen können“, sagt Penkhues.
GEÜBT IM UMSTELLEN
Das Team der Villa Gründergeist ist geübt im Einstellen auf neue Situationen, im Evaluieren und Neuausrichten. Denn anders als an vielen anderen kirchlichen Stellen gehört ein ständiger Wandel in der Villa, einem gut 100 Jahre alten Haus im Westend, zum Konzept. Dort versammeln sich auf 600 Quadratmetern junge Unternehmerinnen und Unternehmer, die Startups im sozialen Bereich gegründet haben und sich in der Villa einen flexiblen Schreibtisch oder ein festes Büro gemietet haben. Auch Kolleginnen und Kollegen aus der Kirchenentwicklung sitzen dort. Es herrscht Aufbruchstimmung in dem alten Gebäude, durch die sich ständig verändernde Besetzung gibt es laufend neue Ideen, Kontakte, Möglichkeiten. Das macht den Co-Working-Space im Vergleich zum Homeoffice so attraktiv. „Wir sind ein Membran-Ort, durchlässig zwischen der Welt draußen und den sozialen und kirchlichen Ideen im Inneren und sehr gut durchmischt“, beschreibt Schulke das Konzept.
NICHTS IST HIER FÜR IMMER
Im Zentrum steht das multiprofessionelle Team der Villa, das Ideen aus der Sozialunternehmerinnen-Szene aufgreift und auf ihren Nutzen für die katholische Kirche testet. Und zwar, ohne einen Anspruch auf das eine Konzept zu erheben, das für immer tragfähig ist. „Wir sind ein kirchliches Innovationsprojekt – und auch wenn wir strukturell dauerhaft angelegt sind, sind wir inhaltlich im Fluss“, so Schulke. Dazu gehören eine Überprüfung der eigenen Arbeit und das Definieren eigener Ziele alle drei Monate durch Methoden des Agilen Arbeitens, und auch die Offenheit einer generellen Neuausrichtung gegenüber. Eine Art Think Tank für soziale Ideen also.
Weitere Infos zur Villa Gründergeist: www.villa-gruendergeist.de
In ihrer jetzigen thematischen Form besteht die Villa Gründergeist seit September 2019, doch David Schulke kennt und begleitet das Haus schon sehr viel länger. Bevor die Villa Gründergeist zu dem wurde, was sie heute ist, befand sich in ihren Räumen lange das Haus der Begegnung, eine feste Größe im Westend mit seinen Angeboten aus den Bereichen Bildung, Beratung und Kunst. Schulke war seit 2015 Leiter der Abteilung Jugendliche und junge Erwachsene im Bistum Limburg, an der auch das Haus der Begegnung angedockt war. Im Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchenentwicklung kam Schulke auf die Idee, dort Arbeitsplätze mit sozialem Bezug anzubieten. Ihm ist es zu verdanken, dass das Gebäude, nachdem das Haus der Begegnung endete, heute wieder vor Ideen summt – und dass das Konzept auch gut durch die Corona-Pandemie kam.
ENTSCHEIDUNG AUCH AUS PRIVATEN GRÜNDEN
Schulke, der Politik, Kommunikationswissenschaften und Pädagogik studiert und außerdem eine Ausbildung zum PR-Berater gemacht hat, wechselt zum 1. Februar nach Hannover und zur Caritas Niedersachsen. Dort wird er das Büro zur politischen Vertretung in der Landeshauptstadt leiten und an der Schnittstelle zwischen Caritas und Politik sitzen. Es ist eine Entscheidung auch aus privaten Gründen, denn sowohl er als auch seine Frau kommen aus dieser Gegend, beide Familien leben in Osnabrück. Man merkt ihm an, dass er es bedauert, „sein“ Projekt zurückzulassen. Zugleich, berichtet Miriam Penkhues, habe Schulke aber auch immer gesagt, er werde auf der Stelle nicht in Rente gehen, denn eine Idee wie die der Villa lebe vom Wandel.
THE SOCIAL PLACE TO BE
Mit Blick auf die Jahre des Aufbaus zieht Schulke eine durchweg positive Bilanz: „Ich bin sehr zufrieden, wie es angelaufen ist – und auch, dass wir uns im Bereich Social Entrepreneurs mittlerweile gut etabliert haben. In Frankfurt gibt es keine andere Stelle, an der diese Community so angedockt ist wie bei uns.“
Seine Nachfolgerin Miriam Penkhues bringt, genau wie ihr bisheriger Chef, jahrelange Leitungserfahrung mit: Nach ihrem Studium (Politikwissenschaften, BWL und Französisch) arbeitete sie zunächst als Jugendbildungsreferentin im Bistum, bevor sie nach Limburg wechselte und dort neun Jahre lang die Pilgerstelle im Bistum leitete. Aktuell studiert sie nebenberuflich im Masterstudiengang Crossmediale Glaubenskommunikation.
Der neuen Aufgabe blickt sie inhaltlich freudig entgegen: „Unser Konzept ist im Fluss, es gibt hier so viele tolle Themen und eine hohe Zufriedenheit der Mitarbeitenden.“ Übrigens auch Schnittstellen zur aktuellen Weltpolitik: Bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs bot das Team spontan an, ukrainischen Frauen und Männern kostenlos einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Zwei hätten dies in Anspruch genommen – eine junge Frau, die gerade ihr Design-Studium abgeschlossen habe, und ein junger Mann aus den USA, dessen Eltern in der Ukraine lebten und der von der Villa Gründergeist aus ihre Ausreise organisierte. Zu Weihnachten schickte er dem Team der Villa einen herzlichen Gruß und berichtete über seine Versuche, in Chicago nun die Kräuter für „Grie Soß“ zu finden. „Ob der Schwierigkeit stehen nun einige Pflanztöpfe auf seinem Balkon“, erzählt Miriam Penkhues. Und fügt schmunzelnd an: „Wer weiß, ob hier nicht die große Exportgeschichte einer weiteren Frankfurter Spezialität begonnen hat…“
(Anne Zegelman)